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Once-in-a-lifetime – 30 Jahrgänge Château Margaux

Once-in-a-lifetime – 30 Jahrgänge Château Margaux

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Once-in-a-lifetime – 30 Jahrgänge Château Margaux

Das grosse Margaux-Spektakel – 30 Jahrgänge Château Margaux beim Rheingau Gourmet Festival

Von Giuseppe Lauria

Es war einer dieser Abende, die man als Wein- und Bordeauxliebhaber nicht vergisst. Erst recht nicht, wenn man feine gereifte Weine liebt. Eine dieser Weinproben, die zurecht als „Once-in-a-lifetime“ geadelt werden. Sieben Dekaden des legendären Château Margaux. Ein Mythos von Wein, der wie kaum ein zweiter für Eleganz und Finesse steht. Eine Delikatesse der Extraklasse – gekrönt von einem fabelhaften Gala-Dinner von Simon Stirnal. Alles an einem Abend, an einem Ort, im schönen Kronenschlösschen. WEINWISSER-Chefredakteur Giuseppe Lauria war bei diesem einzigartigen Festival der Superlative dabei und hat alle Jahrgänge ausführlich verkostet, beschrieben und bewertet.

Im Bistro des Kronenschlösschens herrschte ausgelassene und von gespannter Vorfreude geprägte Stimmung. 20 erwartungsvoll dreinschauende Frauen und Männer sassen am grossen, ovalen und festlich eingedeckten Tisch. Es geht leger zu. Bekannte Weingrössen wie Weltmeister-Sommelier Markus Del Monego oder Aurélien Valence von Château Margaux sowie viele erfahrene Weinliebhaber und Sammler gaben sich die Ehre. Nur wenige dürften überrascht gewesen sein, als Festivalchef Hans B. Ullrich zur Eröffnung dieses spektakulären Tastings mit Stolz verkündete, dass diese Top-Raritäten-Probe beim Rheingauer Wein- und Gourmetfestival als eine der ersten restlos ausverkauft war. Man wundert sich ohnehin, wie es dem Festival-Chef gelingt, Jahr für Jahr solche Weltklasse-Verkostungen und eine Phalanx an internationalen Star-Köchen in sein schmuckes Kronenschlösschen zu locken. Doch diese Verkostung war selbst für ihn – mit der Erfahrung von 21 Jahren Gourmetfestival – „ein persönliches Highlight“.

Festival-Chef Hans B. Ullrich: „Ein persönliches Highlight“ Foto: ©Lustfaktor

Los ging es mit einem komplexen, cremig-dichten, aber sicherlich noch ganz am Anfang des Trinkfensters befindlichen 2009er Roederer Cristal, gefolgt von sage und schreibe 30 Jahrgängen dieses mythischen Weingutes aus der berühmten Appellation Margaux, das direkt am berühmten linken Ufer der Gironde mit seinen kalkhaltigen Kieselsteinböden liegt.

Château Margaux – eine Legende!
Der Wein von Château Margaux ist eine Legende. Die lange Geschichte dieses wunderschönen Guts geht bis ins Mittelalter zurück. Die moderne Erfolgsstory startete aber erst in den Sechziger beziehungsweise in den Siebzigern als der aus Griechenland stammende Unternehmer André Mentzelopoulos das klassizistische Château Margaux erwarb. Allerdings gab es ein Gesetz, dass die Premier-Châteaux zu den nationalen Kulturgütern zählen, der Käufer musste also erst als Franzose eingebürgert werden, bevor er ins Grundbuch eingetragen wurde. Beraten vom berühmten Bordelaiser Önologen Émile Peynaud, investierte der neue Eigentümer große Summen in Keller und Weinberg. Zur Verbesserung der Qualität des „Grand Vin“ führte er wieder den Zweitwein „Pavillon Rouge“ ein. Der Jahrgang 1978 markiert die Renaissance des Château Margaux. André Mentzelopoulos starb jedoch bereits Ende 1980.

Seine Frau Laura und seine Tochter Corinne verkauften etwa 1990 die Aktien des Château Margaux an ein luxemburgisches Unternehmen, bei der die italienische Agnelli-Familie Fiat wesentliche Anteile besitzt. Das bisherige Management wurde übernommen. Im Jahr 2003 übernahm Corinne Mentzelopoulos den 75 Prozent-Anteil der Erben von Giovanni Agnelli für geschätzte 350 Mio. Euro, womit das Château Margaux als eine der teuersten Grundbesitzungen Frankreichs gelten kann.

Majestätische Architektur – majestätischer Wein

Premier Grand Cru Classé der ersten Stunde

Er gehört seit der Klassifikation von 1855 als Premier Grand Cru Classé – also eines von gerade mal fünf Châteaux im Médoc, die dieses Privileg geniessen. Er gehört zu den besten und gesuchtesten Weinen der Welt und war schon im 18. Jahrhundert berühmt. Er ist komplex, duftet verführerisch nach Rosen und Veilchen und brilliert am Gaumen mit seinen „weiblichen Verführungskünsten“. Er hat aber auch eine männliche Seite, ein zwar elegantes, aber zugleich festes Tannin, die dem Wein sein aussergewöhnliches Reifepotential verleiht. „A great wine is a blend of privilege and good work“, brachte es 2015 der langjährige Gutsdirektor Paul Pontallier auf den Punkt. Die Premiere seines letzten Jahrgangs 2015 hat er nicht mehr erlebt. Ende März 2016 ist er verstorben. Das Bordeaux verlor einen Grossen.

Die Verkostung:

Die Verkostung wurde von alt nach jung in verschiedenen Flights aufgestellt. Los ging es mit den frühen 1960er-Jahrgängen bis hin zum 2003er, der sich in einer wunderschönen, ersten Genussreife präsentierte. Es waren also alle ganz grossen Jahrgänge inklusive der berühmten Jahrhundertjahrgänge wie 1961, 1982, (1983), 1985, 1990, etc. dabei. Ein Fest der Extraklasse.

Der ewige Zweikampf der Giganten: Die Top-Jahrgänge hatten ihre jeweiligen Fans

1960 Château Margaux: Trübes Rubingranat mit aufhellenden Karminrändern. Der Einstiegswein zeigt schon, wohin die Reise geht: würzige Terroirnoten, geröstete Kräuter wie Thymian und Rosmarin sowie dunkler, kräftiger Tabak. Am Gaumen mittelkräftig, trotz der oxidativen Noten noch unverkennbar elegant und feingliedrig, von einer feinen Säure getragen. Ein in Würde gealterter Margaux, aus einem schwierigen Jahrgang, den man jetzt aber austrinken sollte. Aufgerundet. 17.5/20 austrinken

1962 Château Margaux: Trübes Rubingranat. Herrlich feines und komplexes Bouquet, very much Margaux: extrem würzig mit Liebstöckel, Zigarrenkiste, kräftig gerösteter Arabica-Kaffee, Veilchen, frisch geröstete Kastanien. Hinter dieser Würzorgie steigen auch feine Cassisnoten auf. Wunderbare Süsse am Gaumen, mit sanften, ungemein runden Tanninen. Eine langanhaltende Delikatesse. Die erste grosse Überraschung aus einer perfekten Flasche, sehr lange im Schatten des ganz grossen 1961er. 19/20 trinken

1964 Château Margaux: Rubingranat, breit aufhellender Rand. Dunkelröstiges Bouquet mit oxidativen Noten, dahinter rote Früchte, feine Rauch- und Würznoten, aber auch volatile Noten. Am Gaumen zwar mit feinem Schmelz, aber auch oxidativ ausfransenden Noten, für viele keine Top-Flasche beziehungsweise kein jahrgangstypischer Vertreter. 17/20 trinken

Eine der grossen Überraschungen: Perfekte Flasche – grosse Delikatesse Foto: ©Lustfaktor

1966 Château Margaux: Mittleres Rubingranat. Intensives, druckvolles Bouquet, sehr lebendig und apart: Liebstöckel mit kräuterätherischen Noten, dazu ein Touch Paprika. Am Gaumen dann grosse Feinheit und Eleganz, noch würzig-eindringlicher als der 1962er, wunderschöne Präsenz und Süsse, getragen von einer feinen, wie gemeisselt wirkenden Säure. Leicht aufrauendes Tannin im Finish. Grosser Wein mit viel Rückgrat, der für mich aber nicht ganz an den 1962er heranreicht. Hat noch Reserven. Auch für Markus Del Monego ein überraschend grosser Wein. 19/20 trinken

1970 Château Margaux: Helles Karmingranat. Wunderschönes Bouquet, floral unterlegt, mit geröstetem Kaffee, einem Hauch Speck – erinnert ein wenig an Pauillac. Saftig-frischer Gaumen, nuanciert in Struktur und Trinkfluss, legt mit Luft sogar noch zu, nicht sehr lang, aber schöner Trinkfluss. 18/20 trinken

1975 Château Margaux: Ein ganz schwieriger Jahrgang und eine ganz schwierige Flasche. Zeigt Anklänge an unreife Paprika mit oxidativen und auch grünen Anklängen. Hat zwar Fleisch am Gaumen, wirkt aber etwas gezerrt und unpräzise. Es war eben eher ein Jahr für den Merlot und somit für das rechte Ufer. Ohne Wertung.

1945 Château Margaux: Trübes Rubingranat mit dichtem Kern. Im Duft oxidative Anklänge mit Pflaumentouch, würzige Kräuter und wieder ätherische oder dunkle Kräuternoten. Aber auch wieder ein Touch Oxidation. Am Gaumen deutlich frischer und präsenter wirkend, hat sogar gewissen Charme und Sex-Appeal in seiner ausladenden Art und der feinen Süsse, aber sicherlich keine perfekte Flasche dieses aussergewöhnlichen Jahrgangs. 17/20 austrinken

1947 Château Margaux: Kräftiges Rubingranat, nur leicht aufhellende Ränder, ganz klar und rein. Fantastisches, ja geradezu geniales Bouquet mit dem typischem Margaux-Parfum, aber etwas intensiver aufgetragen als sonst. Extrem komplexer auch am Gaumen, mit ätherischen Noten, dunkler Würze und enorm viel Präsenz und Frische am Gaumen. Sensationell! Ich würde ihn jetzt trinken, auch wenn er sicherlich noch Reserven hat. 19/20 austrinken

1948 Château Margaux: Dichtes, dunkles Rubinrot. Was für eine Farbe! Überraschend gut geht es auch in der Nase weiter: Komplex, kräftig mit gegerbter Pfirsichhaut. am Gaumen geradezu noch fleischig und enorm frisch wirkend dank präsenter, aber (jetzt!) eingebundener Säure, mit lebendigen Tertiäraromen und dunklen Früchten im langen Rückaroma. Wunderschöne Süsse. Für die meisten DIE Überraschung des Abends. 18.5/20 –2026

1955 Château Margaux: Schwaches, ins transparente gehendes Rubingranat. Sehr elegantes Bouquet mit zart ätherischen Noten, sehr fein und komplex gewoben. Ebenso am Gaumen delikat, etwas schwachbrüstig, fast schon karg, aber mit viel Drive und Frische. Fehlt etwas an Konzentration und Süsse, aber was für eine schöne, mineralische Genuss-Delikatesse zum Jetzttrinken. 18/20 trinken

1959 Château Margaux: Dichtes, etwas “dreckiges” Rubingranat. Eigentlich ein ganz grosser Jahrgang, der sich hier offenbar mit unterschiedlicher Flaschenvarianz präsentierte. Einige hatten wohl Kork. Unsere Flasche war dagegen etwas besser, aber auch nicht perfekt: Feine Tertiäraromen, Trüffel, oxidative Pflaumentöne, ein Hauch Portwein und flüchtige Noten. In dieser Form. 16.5/20

Phänomenal: Die 1961er Legende lebt und räumte die Traumnote 20/20 ab

1961 Château Margaux: Da kam er endlich. Die flüssige Legende. Und was soll ich sagen. Es war eine legendäre Erfahrung, denn wir hatten hier eine perfekte Flasche erwischt. Dichtes Rubingranat mit festem Kern. Was für ein delikates Weinmonument! Geniales Bouquet, wie gemalt oder besser: wie gemeisselt. Ein flüssiger Michelangelo mit perfekten Proportionen. Am Gaumen mit einer schier grossartigen, perfekten Konzentration, dabei total ausbalanciert, von grosser, klassischer Schönheit geprägt, ein Finessen-Prachtstück par excellence mit seidigen Tanninen. Ein Meisterwerk. 20/20 -2030

1981 Château Margaux: Mittelkräftiges Rubingranat. Intensives Bouquet mit Veilchen, Liebstöckel und Cassispüree, umhüllt von einer feinen Rauchschwade. Ungemein frischer Gaumen mit zarter Süsse, deutliche Frische mit leichter Adstringenz, dafür ist er klar, zupackend und wirkt lange nach. Leicht austrocknend im Finish. 17.5/20 –2024

1984 Château Margaux:  Mittelkräftiges Rubingranat, sehr schöne, brillante Farbe. Kühles Bouquet, etwas rote Früchte, dahinter Leder und Würze. Sehr pur und direkt. Ein tolle Überraschung für ein so schwieriges Jahr wie 1984. Interessant zu sehen, dass in solchen Jahrgängen die Säure fast noch stahlig wirkt. 17/20 trinken

1985 Château Margaux: Trübes Rubingranat. Noch so ein herrlich feinsinniges, ja geradezu sinnliches Bouquet. Dieses unwiderstehlich feine Margaux-Parfüm, das die Herzen seiner Liebhaber in hedonistischer Hingabe höherschlagen lässt. Hier ist es wieder – umhüllt von einem Mantel aus Lakritze, Creme de Cassis und Liebstöckel. Am Gaumen mit ausgezeichneter Konzentration, viel Finesse und grosser Eleganz, aber auch festes Fleisch am Knocken. Sehr dicht gewoben, ständig changierend, tiefwirkend mit ewig langem und intensivem Nachhall. Noch so ein Meisterwerk. Wird noch lange viel Freude machen. 19.5/20 -2028

Simon Stirnal kochte hervorragend zur Raritäten-Gala. Das Carpaccio vom Weideochsen mit roter Bete und Pilzen war nur die Ouvertüre seines grossen 6-Gang-Gala-Menüs

Gerade richtig, um mit Teil 1 dieser legendäreren Verkostung aufzuhören und mir eine Pause zu gönnen. Teil 2 mit den Notizen der Jahrgänge 1991 bis 2003 sowie einem ausführlichen Interview mit dem Gründer und Chef des Rheingau Gourmet Festival, Hans. B. Ullrich, ist in Ausgabe WW 02/18 erschienen.

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