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Malbec aus Cahors: Verschlungene Wege

Malbec aus Cahors: Verschlungene Wege

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Malbec aus Cahors: Verschlungene Wege

Manchmal sind die Wege des Herrn verschlungen. Da hat eine Rebsorte früher einmal fast die Hälfte der in Bordeaux bestockten Fläche eingenommen und heute ist sie dort so gut wie verschwunden. Dafür wird sie mittlerweile vom Weinbau in Argentinien als Markenzeichen verwendet. Ihr Name bedeutet «schlechter Geschmack». Aber es gibt nicht wenige Fachleute, die sie für ausgesprochen edel halten. Robert M. Parker behauptet sogar: «By 2015 this long-ignored grape’s place in the pantheon of noble wines will be guaranteed.» Die Rede ist vom Malbec.

In Europa ist der Malbec, abgesehen von winzigen Beständen im Bordelais, an der Loire und auf der Krim, mit einer Rebfläche von 3300 ha fast nur noch in Cahors zu finden. In Argentinien ist die Rebfläche mehr als zehnmal so gross und die Winzer von Cahors haben die Gelegenheit beim Schopf gepackt und sich an die dortigen Imagekampagnen angehängt. Das geht bis hin zum Namen. Hier im alten ländlichen Frankreich hiess die Sorte früher «Auxerrois» oder «Cot». Aber angesagt ist eben «Malbec», wenn man mit den Argentiniern auf den grossen Märkten der Welt, insbesondere auch in den USA, zusammenarbeiten will.

Verschlungene Schleifen zeigt auch der Lot, der 480 km lange Fluss, der die Cevennen mit der Garonne verbindet und über dessen Ufern der «schwarze Wein von Cahors» wächst. Die Garonne gibt ein weiteres Stichwort für verschlungene Wege. Sie fliesst an Bordeaux vorbei und dort sind nicht nur die für die Verschiffung unverzichtbaren Hafenanlagen, dort sass und sitzt auch die übermächtige Konkurrenz. Im Mittelalter war das zunächst anders: 1152 wurde bei der Hochzeit des späteren englischen Königs Heinrich II. mit der ebenso attraktiven wie begüterten Herzogin Eleonore von Aquitanien der damals marktbeherrschende schwarze Wein serviert und sein Ruhm sicherte ihm den 1225 durch eine königliche Verfügung abgesicherten freien Zugang zum englischen Markt. Aber als «Retourkutsche» erlangte Bordeaux 16 Jahre später ein entgegengesetztes Privileg: Kein Wein aus dem «Haut Pays» durfte hier verschifft werden, solange die eigene Ernte nicht verkauft war. Behindert wurden damit neben denen von Bergerac vor allem die Weine von Cahors und dabei blieb es bis 1776!

Das Ansehen der Gewächse vom Lot blieb jedoch gross: Die Santiagopilger, die auf dem Weg nach Süden bei Cahors den Pont Valentré querten, verbreiteten ihren Ruf auf dem ganzen europäischen Festland. Papst Johannes XXII., selbst Landeskind, griff bei der Anlage der Weinberge von Châteauneuf-du-Pape auf Fachleute aus seiner Heimat zurück, König Franz I. liess im 16. Jahrhundert von dort für die Anpflanzung eines Weingartens in Fontainebleau Winzer kommen und Zar Peter der Grosse schätzte den «vin noir» so sehr, dass er nicht nur Unmengen davon trank, sondern ihn in der gesüssten Variante des «Rogomme» auch zum Messwein der russisch-orthodoxen Kirche bestimmte. 1866 waren 58 000 ha mit Reben bestockt. Aber da hatte die Reblaus bereits ihr Zerstörungswerk begonnen, das binnen weniger Jahre allem ein Ende machte. Und das Schlimmste: Der Malbec vertrug sich nicht mit den resistenten amerikanischen Unterlagsreben, ein Problem, das durch Zucht und Auswahl erst 1948 gelöst werden konnte. Damit begann für Cahors der nächste Mäander: 1951 Klassifizierung als VDQS-Bereich, 1956 fast Vernichtung durch fürchterliche Fröste, 1971 – mit intensiver Hilfe von Präsident Georges Pompidou – Anerkennung als Appellation Contrôlée mit damals gerade 440 ha bestockter Fläche.

Geprägt wird das ca. 60 km lange und bis zu 30 km breite Gebiet durch drei verschiedene Terrassen, die der aus dem Zentralmassiv herabkommende Lot im Verlauf der Erdgeschichte angelegt hat. Sie bestehen im Wesentlichen aus meist mergeligen Ton-Kalk-Böden der gleichen Formationen, wie sie in Burgund anzutreffen sind, teilweise durchsetzt mit Kalkschotter und Quarzkieseln sowie eisenhaltigem Sandstein. Der an die 3. Terrasse anschliessende steilere Hang ist nicht bepflanzt, dafür aber – inselartig – das abschliessende, meist bewaldete, bis auf 350 m ansteigende Hochplateau mit felsigem Untergrund und nur geringer Bodenauflage, wo die Trauben bis zu zwei Wochen später reifen. Es wurde früher ebenso wie die nah über dem Fluss liegende kiesige erste Terrasse nicht sehr geschätzt, bringt aber in guten Jahren doch spannungsreiche, mineralische Weine hervor. Hier besteht auch noch Raum zur Ausbreitung, denn klassifiziert sind insgesamt mehr als 20.000 ha, bestockt ist nur ein gutes Fünftel davon.

Ob die Winzer allerdings mit ihrem ehrgeizigen Projekt einer den ca. 15 unterschiedlichen Terroirs entsprechenden Lagenklassifikation Erfolg haben werden, steht in den Sternen. Charismatische Persönlichkeiten wie Pascal Verhaeghe (Château du Cèdre), Jean-Luc Baldès (Château Triguedina), Alain-Dominique Perrin (Château Lagrezette) und der langjährige Präsident der Winzerunion Jean-Marie Sigaud haben intensiv in diese Richtung gedacht, damit aber bei der INAO keinen Anklang gefunden. Dafür hat sich eine insbesondere von Verhaeghe und Perrin vorangetriebene, auf den Ertrag des einzelnen Rebstocks abzielende Qualitätscharta weitgehend durchgesetzt, sehr zugunsten des allgemeinen Niveaus. Der wüchsige Malbec kann nämlich, wie Sigaud bemerkt hat, ein, aber auch vier Kilo Trauben pro Stock bringen!

Alles andere als Sonnyboys

Eine Besonderheit weist das Klima der genau zwischen dem Atlantik und dem Mittelmeer gelegenen Region auf: Im Frühjahr, wenn der Regen willkommen ist, bezieht sie das Wetter aus dem Westen, im Spätsommer und Frühherbst, wenn die Trauben zur vollen Reife viel Sonne brauchen, herrscht mediterraner Einfluss mit Tagestemperaturen von bis zu 30 °C. Die Weine aus Cahors werden insbesondere von amerikanischen Besuchern der Region, die an die fleischige, fruchtige Fülle der argentinischen Malbec-Weine gewöhnt sind, die als ideale Begleiter für Barbecues gelten, mit einigem Erstaunen kommentiert. «Sunnyboys» sind sie nämlich keineswegs, sondern ernsthafte, tanninreiche, samtige und natürlich tiefschwarze Gewächse, die oft 3 bis 5 Jahre Flaschenlager brauchen, bis sich ihre Kanten gerundet haben. Wie im Piemont gibt es aber auch in Cahors insbesondere unter jüngeren Winzern Bemühungen, die Weine früher zugänglich zu machen, ohne dass sie ihren besonderen Charakter verlieren.

Dieser besteht neben der Farbe in ihrer leicht nussigen Samtigkeit, ihren dunklen, von Waldbeeren, Kirschen und Himbeeren, Lakritz, Tapenade aus schwarzen Oliven, Unterholz, Graphit, Teer, Pilzen, in der Reife auch Trüffeln und Tabak geprägten Noten, die so gut wie immer auf einem mineralisch geprägten Fundament mit präsenten Tanninen, feiner Säure und gezügelter Alkoholgradation beruhen. Und in ihrer Eigenständigkeit! Bordeaux-typische Cabernet-Sauvignon-Würze bzw. ‑wurzeligkeit findet sich hier nur ganz selten und auch die füllige Stilistik des Merlot sucht man, selbst wenn diese einen Teil der Cuvée ausmacht, meist vergebens. Zu dominant ist das Profil des Malbec, der mindestens 70 % Anteil haben muss und oft sortenrein auf die Flasche kommt.

Holznoten waren früher im Cahors selten, denn das Barrique hat hier, anders als das Stückfass, keine Tradition. Das hat sich aber, vor allem bei Gütern, die Mitspieler auf dem Weltmarkt sein wollen, geändert. Wein ist entgegen allem Purismus immer auch ein Produkt, das seine Käufer finden muss. Kraft und Struktur sind bei den Weinen von der 3. Terrasse für einen vorsichtigen Ausbau im neuen Holz ausreichend vorhanden, ohne dass der besondere Charakter des dichten «schwarzen Weins von Cahors» verloren ginge.

Weine aus Cahors verkostet

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(AB = Biologischer Weinbau)

2011 Cahors AC, Expression, Château Lamartine, Soturac: Feine, dichte, schokoladige Waldbeeren-Aromen mit einer Spur Deckblatt; am Gaumen Brombeeren mit feinen Geleenoten, sehr nuanciert und elegant, feine Frucht, seidige Tannine, Kraft und kultivierte Eleganz statt Wucht, Bitterschokolade, nur ein Hauch bestens integriertes Holz, sehr langer Nachhall.
17+/20 2015–2023

2009 Cahors AC, Malbec, Château de Chambert, Floressas: Tiefe, fast süsse Aromen von Brombeeren und Schwarzkirschen mit einem Hauch von Gelee, Schokolade und Leder; am Gaumen vielschichtig und komplex, reife Waldbeeren mit einer Spur Bitterschokolade; kraftvolle, geschliffene Tannine, bei aller Stoffigkeit nuanciert und elegant, langer kirschiger Nachhall.
17/20 2015–2022

Beitrag und Foto: Dr. Stefan Krimm

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