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Editorial WW 09-22

Editorial WW 09-22

Editorial WW 09-22
Editorial WW 09-22

Liebe Weinwisser,

während ich diese Zeilen schreibe, ist die Lese vielerorts schon voll im Gange. Nach dem kühlen und leider auch sehr feuchten Jahr 2021 hatten wir wieder einen Rekordsommer. So ist 2021 in vielerlei Hinsicht ein sehr «anderes» Jahr. Aufgrund des vielen Regens und der Feuchtigkeit mussten die Winzer intensiven Pflanzenschutz betreiben, um gegen Peronospora und später auch Fäulnis anzukämpfen. Gerade für biologisch arbeitende Winzer war dies ein besonders herausforderndes Jahr. Zudem war der Sommer so kühl, dass, anders als in den vergangenen warmen Jahren, das Erreichen der physiologischen Reife wieder zu einem (fast vergessenen) Thema wurde. Kaum zu glauben, betrachtet man sich das Hitzetriple 2018 bis 2020 sowie das aktuelle Hitzejahr 2022. Es war ein Jahr wie früher. Der rheinhessische Spitzenwinzer Hans-Oliver Spanier bringt es so auf den Punkt: «Es war ein gnadenloser Handwerksjahrgang, der keine Fehler verzieh.»

2021 ist ein heterogenes Jahr, das insgesamt unter 2020 und 2019 liegt. Es ist ein schlankes, kühles Jahr mit deutlich weniger Konzentration und teils harter Säure. Für den Winzerstar Klaus Peter Keller konnte man in 2021 «nur mit sehr kleinen Erträgen große trockene Weine machen». Für ihn ist es ein hervorragendes Jahr für Kabinette und Spätlesen. Das zeigten im Übrigen die sensationellen Versteigerungserfolge für diese Prädikate an der Mosel und Nahe/Rheinhessen.

Aber zurück zu den GGs: Es verwundert also nicht, dass es wieder eine ganze Reihe von Weinen gibt, die einfach weit vom «Grossem Gewächs» sind. Gerade im breiten Mittelfeld gibt es zu viel Mittelmaß: Nicht, dass das schlechte Weine wären, aber einige haben Mühe, dem selbstgesetzten hohen Anspruch von «Grand Cru» gerecht zu werden. Aber wie so oft in solchen herausfordernden Jahren, trennt sich die Spreu vom Weizen. Die besten Weine sind scharf konturiert, zupackend, territorial geprägt und bersten vor Energie mit einem irren Spannungsbogen, ohne dünn und säuerlich zu wirken. In der Spitze gibt es einige Top-Weine, die mit ihren Pendants aus den besten Jahrgängen sicher mithalten können. Aus der Erfahrung wissen wir, dass anfangs unterschätzte kühle Jahrgänge wie 2004 und 2008 auf der langen Distanz den warmen Jahren durchaus überlegen sein können. Top-Weine kommen zum Beispiel von Clemens Busch, Reinhard Löwenstein und den Haag-Brüdern von der insgesamt eher schwachen Mosel. An der sehr homogenen Nahe, die zusammen mit Rheinhessen fast alle Top-10-Weine stellt, strahlen die Rieslinge von Dönnhoff und Tim Fröhlich. Im Rheingau überzeugen Weil, Breuer, Kühn (mit sensationellen 2020er «Unikaten») und das wieder erstarkte Schloss Johannisberg. Beeindruckend ist die Leistung in Rheinhessen: Hier dominiert das Trio aus Klaus Peter Keller, Hans-Oliver Spanier und Philipp Wittmann das Geschehen. In der heterogenen Pfalz schafft Dr. Wehrheim einen Überraschungssieg, dicht gefolgt von Bürklin-Wolf, Rebholz, Bassermann-Jordan, Christmann, Rings und Von Winning mit seinen 2020ern. Bei den Roten stehen ebenfalls die bekannten Namen ganz oben: Sebastian Fürst, Klaus Peter Keller, Julian Huber und die Pfälzer Friedrich Becker und Rings.

Wir haben uns wieder für Sie, liebe Leserin, lieber Leser, drei Tage lang durch diese Flut an GGs verkostet, um in diesem heterogenen Jahrgang die Spreu vom Weizen zu trennen. Zusammen mit meiner Kollegin Daniela Dejnega, Frank Kämmer MS und Thomas Boxberger haben wir für Sie die aus unserer Sicht spannendsten Weine selektioniert. Unsere «Best of Listen» sind eine (strenge) Auslese der besten aktuellen trockenen Weine und damit ein verlässlicher Einkaufsführer, ohne – wie anderswo – zu punkteinflationär zu sein. Dazu gibt es wieder Interviews wie mit Tim Fröhlich, Hansjörg Rebholz und Julian Huber (siehe Webseite).

Jetzt wünsche ich Ihnen viel Genuss beim Lesen, Entdecken und Nachprobieren – vielleicht inspiriert durch eine unserer zahlreichen Top-Empfehlungen!

Wer alles lesen will, hier geht es zur Einzelausgabe: https://bit.ly/diebestenWeineDeutschlands

Giuseppe Lauria

Chefredakteur WEINWISSER

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