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Renaissance des Rancio sec

Renaissance des Rancio sec

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Renaissance des Rancio sec

Der vermutlich älteste mediterrane Weintyp drohte im Roussillon in Vergessenheit zu geraten. Zum Glück machte Slow Food den Rancio sec zu einem Passagier der Arche des Geschmacks. An ihm interessierte Winzer schlossen sich 2004 zusammen und 2012 hat der in keine Weinkategorie passende Urwein Unterschlupf in der IGP Côtes Catalanes gefunden. Inzwischen sind auch Spitzenköche, Sommeliers und Weinsammler auf ihn aufmerksam geworden.more

Meine erste Bekanntschaft mit dem Rancio sec geht auf die 1980er Jahre zurück, als ich mich im Roussillon niederliess. Ein Winzersohn in unserem Weiler hatte am 14. Juli, dem Nationalfeiertag, Geburtstag. Seine Eltern luden zum Aperitif ein. Jedes Jahr stellte der Grossvater dazu zwei extra abgezapfte Flaschen aus seinem Keller neben Pastis und Vin Doux: seine Rancios. Einen süssen und einen trockenen. Beide stammten aus kleinen Fässern, die vor rund hundert Jahren angesetzt worden waren. Jedes Jahr zog Jacques einige Liter daraus ab und füllte mit jungem Wein auf. Die beiden Weine hatten eine abschreckende bräunlich-grüne Farbe, besassen aber eine hinreissende Komplexität und das sehr markante Aroma des Rancio. Seither spüre ich diesem – an die grüne Schale von frischen Walnüssen erinnernden – Aroma mit Begeisterung nach, ob in alten Vins Doux, Sherrys oder Tawnies oder in alten Cognacs und Armagnacs.

Ein katalanisches Erbstück

Meine erste Begegnung mit dem Rancio sec verrät bereits viel über ihn. Früher besass jede Winzerfamilie im Roussillon, aber auch im übrigen Katalonien davon ein kleines oder grösseres altes und fortwährendes, perpetuelles Fass. Insbesondere war das der Fall in den Anbauzonen, in denen man überreife Trauben las und sich auf verstärkte, aufgespritete Weine wie Banyuls oder Rivesaltes ausrichtete. Während man mit denen den Lebensunterhalt erwarb, liess man einen kleinen Teil der überreifen Trauben völlig durchgären, zum sec. Diese von Natur aus alkoholreichen Weine füllte man in alte Fässer oder Fuder – manche standen unter freiem Himmel –, aber füllte sie nie ganz voll, so dass die weitere Entwicklung der Weine unter Luftkontakt, auf oxidative Weise geschah. Dabei entwickelt sich nach Jahren das besondere Altersaroma des Rancio.

Um diesen geschätzten Geschmack zu bewahren, zog man immer nur einen kleinen Teil des Weins ab und ersetzte diesen durch jungen: das einfachste Prinzip einer Solera. Verwendung fanden die Rancios secs entweder in der Küche – sie ergeben grossartige Saucen – oder aber sie dienten den Winzern während der Arbeit im Weinberg als Durstlöscher, stark mit Wasser verdünnt. Während diese Tradition Jahrhunderte zurückreichte, gerieten die Rancios secs im 20. Jahrhundert ins Abseits. Sie entsprachen weder der Gesetzgebung der Appellationen noch den Kriterien moderner Vinifikation noch dem nun auf leichtere Weine ausgerichteten Verbrauchergeschmack.

In den 1990er Jahren gab es nur noch sechs oder sieben Erzeuger im Roussillon, die Rancio sec als – schlecht angesehenen – Vin de table abfüllten. «In dieser Situation leitete Slow Food ein Programm in die Wege, um daraus einen Arche-Passagier zu machen, das heisst, ein Produkt, das man im Namen der Biodiversität und des kulturellen Erbes schützen und bewerben sollte», so der dafür stark engagierte Jean Lhéritier, Präsident des Slow Food Conviviums der Pyrénées Orientales.

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Die Winzer erwachen

Von 2004 an findet Lhéritier Verbündete, vorwiegend in der neuen Winzergeneration. Sie wird sich der Einzigkeit des Rancio sec bewusst. Während einige von ihnen alte Bestände erben, insbesondere Benoît Danjou, sieht eine ganze Reihe anderer eine Herausforderung darin, die Tradition zu bewahren, aber auch neu zu interpretieren. Sie gründen die Association des Rancios Secs du Roussillon, der es gelang, dem Rancio Sec den IGP-Status zu erwerben. Damit einher gehen erste Richtlinien bezüglich seiner Herstellung wie die Verwendung der Rebsorten des Roussillon, oxidativer Ausbau und Vermarktung frühestens nach fünf Jahren. (http://ranciosec.wordpress.com).

Die Association organisierte in diesem Jahr ihre erste Messe «Be ranci!» und auch unsere Degustation im «Comptoir des Crus» in Perpignan. Verkostet man die Weine, fasziniert, dass jeder einen ganz eigenen Charakter besitzt. Ihm entspricht die Verwendung, ob als Aperitif zu Anchovis oder Pata negra, zu kraftvollen Käse oder intensiven Schmorgerichten. Immer wieder gibt er Anlass zu spannenden Genüssen. Alle folgenden Weine werden als Rancio Sec bezeichnet und sind als IGP Côtes Catalanes deklariert, doch das hat seinen Weg in dieser Übergangsphase noch nicht auf alle Etiketten gefunden.

 

Verkostungsnotizen:

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Sans Interdit, Domaine Ferrer Ribière, Terrats: Schönes, klares Bernsteingold. Intensive Nase mit Aromen von Bratapfel, Stroh, gerösteten Nüssen, Tabak und Karamell und leichtem Rancio. Bemerkenswerte Frische am Gaumen mit deutlicher Frucht von Apfel, Orange und getrockneten Aprikosen. Ausgewogen mit dezentem, doch feinem Rancio, trockenes, sehr langes Finale. Reiner Macabeu, neun Jahre oxidativ im Tank nach dem einfachen Solera-System ausgebaut. 15,5 Vol.-%.
17,5/20 2014–2034

Domaine Lheritier, Rivesaltes: Volles, klares Gelbgold. Zunächst zurückhaltend in der Nase, entfaltet er dann Noten von reifer Birne und gelbem Pfirsichkompott, von Zimt und Safran und deutlichem Rancio. Fruchtiger Ansatz mit Kernobst und gelben Früchten, dann deutlicher Biss, dezente Tannine, gefolgt von Nuss und Rancio und leicht salzigem Abgang. Alter Grenache Blanc von Schieferböden, acht Jahre im Barrique. 15 Vol.-%.
16/20 2014–2029

Domaine Gilles Troullier, Estagel: Dunkles, schönes Gold mit Bernsteinschimmer. Komplexes Bukett mit überreifem gelbem Obst, Waldpilzen, mediterranen Kräutern, einem Hauch von Curry, Kakao und gerösteten Nüssen. Am Gaumen elegant mit Aromen von getrockneter Aprikose, eingelegtem Pfirsich und blondem Tabak, bevor feine Trockenheit und dezente Rancionoten anregend ausklingen. Ein 2002 begonnener Macabeu, dem 2007 ein Drittel an jungem Wein zugesetzt wurde. 13 Vol.-%.
18,5/20 2014–2024

SaÓ, Château de Saü, Thuir: Leicht trüber, grünlicher Bernstein. Intensiver Duft von Laub, Nuss, altem feinem Holz, von getrockneter Feige und Orangenzeste, stark maderisiert mit deutlichem Alkohol, Noten von Zigarre und Rancio. Viel Kraft am Gaumen, dezente Honigsüsse, ausgeprägte Aromen von getrockneter Aprikose und kandierten Zitrusfrüchten, von Nuss und Rauch, gute Frische, leichter Rancio. Grenache Gris von steinigem, magerem Boden, im Fass vergoren und über sieben Jahre oxidativ ausgebaut. 18 Vol.-%.
17/20 2014–2034

2008 Domaine de Rombeau, Rivesaltes: Mitteldunkler Bernstein. Aromen von getrockneten Früchten wie Apfel und Aprikose, geröstete Hasel- und Erdnüsse, ein Hauch von Bitterschokolade und Rauch. Fruchtiger Ansatz mit viel Volumen und einer reizvollen, dichten seidigen Textur, mit Nuss und feinem Rancio, sehr trocken und klar im Finale mit dezent salzigem Abgang. Aus überreifen Trauben, fein abgestimmter Ausbau. 16 Vol.-%.
17/20 2014–2034

2006 Domaine Ey, Saint-Estève: Mitteldunkler Bernstein. Intensiv, Stroh, Kakao, süsse Gewürze, Röstaromen, Noten von Curry, Champignons und Rancio. Im Mund zunächst weich mit schöner Fülle, getrocknete Feigen, Tabak und Holzwürze, dann merkliche Tannine und sehr trocken im Ausklang mit klarer Rancio-Note. Grenache Blanc auf Tonkalkböden mit Rollkieseln, sechs Jahre im Barrique. 16,5 Vol.-%.
16,5/20 2014–2024

Rancy, Domaine Rancy, Latour de France: Wunderschönes Mahagoni. Komplexes, eigenständiges Bukett mit Backpflaume, Quittenpaste, getrockneten Feigen und kandierter Orange, mit Noten von Kakao und gerösteten Erdnüssen. Intensiv und komplex im Geschmack, Nuss, Laub, Tabak, feine Alterssäure, schöner Rancio, sehr lang und kraftvoll, viel Charakter. Obwohl auf Macabeu konzentriert, arbeitet Jean-Hubert Verdaguer bei seinen Rancios secs inzwischen auch mit Carignan und Syrah. Langjähriger Ausbau in alten Fässern. 17 Vol.-%.
19/20 2014–2039

Matifoc, Terres de Templiers, Banyuls-sur-Mer: Leicht rötlicher Bernstein. Intensive Aromen von Korinthen, Feigen, Steinpilz, Nuss, Lakritz, altem Holz und Rancio. Kerniger Auftakt mit Röst- und Holznoten, Vanille und Anis, Nuss, Tabak und Rancio, viel Pep und Stärke mit guter Länge. Ausschliesslich Grenache-Trauben in Maischegärung, gefolgt von oxidativem Ausbau. 16,5 Vol.-%.
16/20 2014–2034

Domaines de Schistes, Estagel: Entwickelter goldener Bernstein. Überraschendes Bukett mit Malt- und Torfakzent, Rauch, geröstete Nüsse, Aprikosenkompott, Gewürze, Feuerstein und Rancio. Frischer Ansatz von ausserordentlicher Intensität, viel Relief und Volumen, eingelegte Zitrusfrüchte, Laub, Tabak, Rancio, sehr lang mit Finesse und salzigem Finale. Sechzig Jahre alter Grenache Blanc, kein biologischer Säureabbau, Ausbau in dreistufiger, 2004 kreierter Solera. 17 Vol.-%.
18,5/20 2014–2039

Domaine des Blanes, Pézilla-la-Rivière: Leicht trüber Bernstein. Spannende Nase, Quitte und Aprikose, geröstete Nüsse und Mandeln, Noten von Champignon, Kakao und Rancio. Schöne Frische und Eleganz, anregend mit Rauch- und Röstnoten, feiner Eichenholzwürze, leicht salzig, feiner Rancio, lang anhaltend. Neun Jahre im Barrique ausgebauter Grenache Blanc. 13,5 Vol.-%.
18/20 2014–2024

Pujol, Domaine de la Rourède, Fourques: Domaine de la Rourède: Alter Bernstein mit grünen Reflexen. Sehr komplexes Bukett, getrocknete Feigen, Mokka, Zigarre, altes, feines Holz, viel Rancio. Superbe Intensität am Gaumen, erneut Feige, geröstete Mandeln, Tabak, Rauch, feine Alterssäure, enorme Kraft und Länge mit ausgeprägtem Rancio. Ein Monument an altem, traditionellem Rancio sec. Grenache Blanc aus einfachem, vor 60 Jahren begonnenem Solera-System. 19 Vol.-%.
18/20 2014–2039

Evoé, Domaine de Demoiselles, Tresserre: Bräunlicher Bernstein. Entwickelte Nase mit Aromen von Leder, Unterholz, Orangenzeste, Rauch, blondem Tabak und Rancio. Leicht trockener Auftakt, dann aber dynamische Steigerung mit Relief, Mineralität, kandierter Zitrusfrucht, Frische und dekadenter Finesse. Grenache Gris und Blanc aus einer Solera, die 2004 auf der Basis eines Rancio von 1965 angesetzt wurde. 15,5 Vol.-%.
16/20 2014–2020

Des pierres naquirent des fleurs, La Préceptorie de Centernach, Saint-Arnac: Schöner, entwickelter Bernstein. Komplexe Aromen von gebrannten Nüssen, flambierter Banane, Curry und blondem Tabak. Voll und kräftig am Gaumen, kandierte gelbe Früchte, geröstete Nüsse, dann viel Biss, doch mit feinem Rancio, trocken, anregend und lang anhaltend mit einer Note von Armagnac. Grenache Gris und Macabeu in einer Assemblage von entwickelten Weinen der Jahrgänge 2001 und 2007. 18,5 Vol.-%.
18,5/20 2014–2039

Cap de Creus, Domaine La Tour Vieille, Collioure: Dunkles Mahagoni mit Bernsteinrand. Vielschichtig, Aromen von Steinpilzen, eingelegten Kirschen, Erdbeeren und Feigen, Noten von Kakao, altem Holz und Rancio. Süsse, reife rote Früchte, die an Banyuls erinnern, Mandeln, Tabak, altes Fass, viel Kraft, Würze und Rancio mit sehr guter Länge. Vorwiegend Grenache Noir mit etwas überreifem Carignan aus einem Fass, das 1968 begonnen wurde. 17 Vol.-%.
17,5/20 2014–2034

2002 Vi Ranci, Domaine Danjou Banessy, Espira-d’Agly: Dunkles, leuchtendes Bernstein. Intensiv und komplex, Eisenkraut, Quittengelee, getrocknete Aprikosen und Feigen, Noten von getrockneten Steinpilzen, Kaffee und Rancio. Runder Ansatz mit eingelegten Pfirsichen und Aprikosen, dann viel Pep und Relief mit Nuss, Tabak und deutlichem Rancio. Gut integrierter Alkohol, feine zitronige Säure, vielschichtiger Abgang, grosses Potenzial. Grenache Blanc und Gris sowie Macabeu mit etwas Muscat, zehn Jahre im Fass. Ältester angebotener Jahrgang 1949. 19 Vol.-%.
19/20 2014–2044

 

Beitrag und Foto: André Dominé

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