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Lang lebe Bernhard Huber!

Lang lebe Bernhard Huber!
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Lang lebe Bernhard Huber!

«Bernhard Huber lebt!» Wie gerne würden Weinliebhaber diese Aussage auf den Winzer beziehen, der im Juni 2014 mit nur 55 Jahren verstarb. Ein lebendiges Erbe bleibt jedoch bestehen und wartet darauf, stets neu entdeckt zu werden: die Weine, das Wissen um ihre Qualität, die Begeisterung für den deutschen Spätburgunder. more

Viele Winzer haben von und bei Bernhard Huber gelernt und profitieren heute davon: Jacob Duijn in Bühl, der mit seinen Spätburgundern ebenfalls Massstäbe in Baden setzte, hatte Huber als Mentor und Berater. Yquem Viehhauser (Tochter von Sternekoch Josef Viehhauser) arbeitete einige Jahre bei Huber, zuletzt als zweite Kellermeisterin, bevor sie mit ihrem Mann an der Mosel spannende Pinot-Projekte realisierte. Die Liste liesse sich lange fortführen – in vielen Regionen wird Huber in Erinnerung bleiben.

Seit 1987 vinifizierte er zusammen mit seiner Frau Bärbel Weine aus den drei Einzellagen Sommerhalde (Bombach), Schlossberg (Hecklingen) und Bienenberg (Malterdingen), nachdem er die ortsansässige Winzergenossenschaft verlassen hatte. In den letzten Jahren unterstützte ihn sein Sohn Julian bei der Arbeit, der bereits wusste, wie schwerkrank sein Vater war, und von dem er jetzt das Weingut übernommen hat.

Wie der Wildenstein in die Welt kam

Archivrecherchen bescherten Bernhard Huber in den 80er Jahren den Fund einer Zisterzienserschrift, die die Qualität Malterdinger Weine in schwärmerischer Sprache verherrlichte. Das Besondere daran: Die Mönche hatten ursprünglich den Burgunder nach Malterdingen gebracht, weil sie hier mit dem Muschelkalk-Verwitterungsboden ähnliche Anbaubedingungen wie im Burgund vermuteten. Hubers Vision, mit dem 26 ha grossen Weingut burgundische Burgunder in Baden zu erzeugen, war geboren. Zur Philosophie des Weingutes gehörte von Beginn an die traditionelle Maischegärung, eine lange Hefelagerung und die 18 Monate lange Lagerung im Barrique – für diese Zeit in Baden eine kleine weinbau- und kellertechnische Revolution.

Huber galt schon zu Lebzeiten als einer der wenigen Winzer in Deutschland, die dem Burgund in puncto Balance, Komplexität und Reifepotenzial Paroli bieten konnten. Ein Wein hat die Reputation von Huber in der Weinwelt besonders nachhaltig geprägt: der Wildenstein Reserve. Wer bereits die Vorläufer des Wildensteins probieren durfte, die Bienenberg GGs und die anderen Reserve-Weine, kann vielleicht ermessen, warum Huber eine eigenständige Serie auflegte. Der Wildenstein ist eine spezielle Parzelle des Bienenbergs und Huber erkannte in den Bienenberg-Weinen das Potenzial für zwei eigenständige Lagenweine. Huber bepflanzte einen überwiegenden Teil seiner 26 Hektar mit Klonen aus dem Burgund, um vergleichbare Bedingungen herzustellen. Für den Wildenstein wurden nie mehr als 28 hl pro Hektar gelesen, lediglich ca. 2.500 Flaschen kommen von diesem Wein jährlich auf den Markt. Der Preis liegt seit dem Jahrgang 2009 bei stolzen 120 €, und obwohl dieser Preis einige Käufer abschrecken mag: Wer vergleichbare Qualitäten im Burgund sucht, der zahlt deutlich mehr.

Die Probe

Insgesamt 25 Huber-Weine standen in einer privat organisierten Probe bereit, darunter sämtliche Spätburgunder Wildenstein R. Nach Angaben von Julian Huber, der im Vorfeld von der Verkostung erfuhr, handelte es sich um die grösste Huber-Probe ihrer Art. Verkostet wurde offen und alle Weine wurden von den Teilnehmern intensiv diskutiert, die meisten von ihnen erhielten von allen hohe Bewertungen.

ww_punktetabelle

2003er Spätburgunder «Alte Reben»: Bereits in der Nase eine feine Noblesse. Schöne, verhaltene Spätburgunderfrucht. Am Gaumen viel Sauerkirsche, Mandel, weiche Tannine, gut eingebundener Alkohol mit genug Fülle und Druck für weitere Jahre. Ein «Grand Cru» im unscheinbaren Gewand. 31,50 EUR.
18/20 2015–2025

2009er Spätburgunder «Alte Reben»: Die 20–40 Jahre alten Reben erzeugen einen konzentrierten, granatroten Wein. In der Nase und am Gaumen noch etwas ungehobelt und «kantig» aufgrund des Holzeinsatzes, aber unglaubliche Konzentration und Druck: Kräuter, etwas Frucht, Pfeffer – mit Sicherheit grosses Potenzial. 27 EUR.
17+/20 –2030

2001er Spätburgunder Reserve: Im Glas deutlich heller, schon mit leichter Rostreife versehener Pinot. Kräftige Nase, die durch Leder, Pfeffer und etwas Frucht besticht, trotz der Intensität filigran; am Gaumen eine sehr packende Säure, wirkt unbesehen seines Alters noch sehr jung.51,90 EUR.
18+/20 –2025

2002er Spätburgunder Reserve: Im direkten Vergleich mit 2001 etwas weniger filigran und weniger komplex, dennoch schöne Struktur. Elegante, abgefederte Tannine, etwas Kirsche und Vanille. Nicht ganz so viel Potenzial wie 2001, bald trinken. 49 EUR.
16+/20 –2017 

2003er Spätburgunder Reserve: Zeigt sich im Glas bereits mit reifebedingtem Rostrot. In der Nase holziger Vanilleton mit Himbeere und Pflaume, am Gaumen leider etwas kurz, dafür interessante Noten von Minze und Eukalyptus, die erst im Abgang stärker werden. Gut eingebundene Säure, etwas «marmeladig» im Gesamteindruck. 48,50 EUR.
16/20 –2020

2005er Schlossberg Spätburgunder GG: Sehr schöne und volle Nase, Thymian und Feuerstein-Anklänge; am Gaumen dann deutlichere Noten von Bacon und Rauch, dadurch am Ende weniger filigran, als es die Nase vermuten lässt. Trotzdem ein schöner, kräftiger Spätburgunder.
17/20 –2020

2009er Schlossberg Spätburgunder GG: Im Glas dunkle Cassis-Farbe, in der Nase feines Pinot-Bukett. Im direkten Vergleich mit 2005 der Wein mit mehr Potenzial und feineren Aromen. Am Gaumen Nuancen von reifer Pflaume und Kirsche. Recht fleischig-erdige Note, feine, aber dennoch zupackende Säure, ewig langer Abgang. Spielt auch in der «Grand Cru»-Liga. 55 EUR.
18+/20 –2030 

2005er Sommerhalde Spätburgunder GG: Wunderschönes Rubinrot im Glas. Typisch grüne Paprikanote in der Nase, am Gaumen viel Fülle, sehr lebendige Säure, trotzdem samtige Tannine, wirkt konzentriert und hat Länge und Potenzial. 41,40 EUR
17+/20 –2025

2004er Wildenstein Spätburgunder R: In der Nase leicht animalisch, aber nicht penetrant, am Gaumen jedoch gleich eine Aromen-Explosion: salzige Noten, dann unglaublich tief wirkende Amarenakirschfrucht, gepaart mit schokoladigen Nuancen. Der endlose Abgang ist fein und komplex. Nicht der typische Spätburgunder, sehr eigenständig, sehr lebendig. Könnte noch an Finesse gewinnen. 110,00 EUR.
19+/20 –2030

2005er Wildenstein Spätburgunder R: Ein Bukett mit feuchtem Wiesenheu im Morgennebel, dann eher irritierende Terpentin-Note, am Gaumen ein leichter Essigton, aber runde Tannine – lässt einen etwas ratlos zurück, zu unpräzise. Huber hat hier etwas anderes versucht als vorher und war noch nicht ganz am Ziel. 98 EUR.
16+/20 –2023

2006er Wildenstein Spätburgunder R: Sehr fruchtbetonter Wein; Cassis im Glas und in der Nase. Lebendige, aber etwas aggressive Säure, die den Wein in Kombination mit der breiten Frucht tendenziell plump wirken lässt, dennoch guter Abgang. Auch hier scheint Huber noch in einer Findungsphase gewesen zu sein. 66,70 EUR.
17/20 –2020

2007er Wildenstein Spätburgunder R: Schwieriger Jahrgang, dennoch recht spannender Wein. Dezentere Frucht als 2006, aber eine sehr packende Säure, sehr astringente Tannine zum Abgang hin, dann jedoch leicht ins Florale gehende Eindrücke mit gutem Abgang. Braucht Luft und Zeit, um sich zu entwickeln. 83,80 EUR.
17+/20 –2027

2008er Wildenstein Spätburgunder R: Schöne Nase, etwas Pflaume, richtig füllig. Am Gaumen sanfte Tannine, etwas Frucht, insgesamt sehr filigran und elegant. Die Säure stört kein bisschen, sondern integriert den Wein. Trinkfluss und Noblesse. Die Tannine könnten bei zunehmender Reife noch runder werden. 77 EUR.
18+/20 –2031

2009er Wildenstein Spätburgunder R: Dunkles Rubinrot. Wunderbare Nase, deutlich blumiger als die Vorgänger, dabei trotzdem sehr klar. Lebkuchengewürze wie Nelken und Zimt in Nase und am Gaumen. Zu den Gewürzen gesellen sich getrocknete Früchte und lassen diesen feinen Spätburgunder zu einem Hochgenuss werden – Tiefe, Länge und Finesse: alles da. 120 EUR.
19/20 –2030 

2010er Wildenstein Spätburgunder R: Von der Nase über den ersten Gaumeneindruck bis hin zum Finish ein sehr elegantes Erlebnis. Schafft es trotz deutlich reifer Fruchtnoten, seine kühle Stilistik zu bewahren. Die Säure trägt und integriert. Ein grosser Wein, in einer Linie mit 2004 und 2008. Wahrscheinlich der beste Langstreckenläufer. 120 EUR.
19+/20 –2035 

2011er Wildenstein Spätburgunder R: Präsentiert sich im Glas wie Kirschsaft. Nase und Gaumen bestätigen: ein sehr fruchtgeprägter Wein. Rote Beeren, Kirsche und am Gaumen noch etwas helle Pflaume. Etwas weniger integriert als der 2010er und etwas weniger elegant, der letzte «Grip» fehlt. Dennoch schöner Trinkfluss und viel Saft, ein frischer Wein, der in gereiften Jahren an Noblesse gewinnt. 120 EUR.
17/20 –2030

2012er Wildenstein Spätburgunder R: Den Wein unbedingt karaffieren, ist ansonsten zu verschlossen. Zeigt sich im Glas dunkelrot. Noch deutlich von Holz geprägt, ruppig und wild, lässt dennoch seine Grösse erkennen, nur leicht astringente Tannine, hintergründige Beerenfrucht und eine tolle Länge. Wird ebenfalls in den nächsten Jahren noch an Trinkfluss und Feinheit gewinnen. 120 EUR.
18+/20 –2035

Verkostungsfazit: Die Spätburgunder aus «Alten Reben», die Grossen Gewächse aus dem Schlossberg und vor allem die meisten Wildensteiner belegen sehr eindrucksvoll das lebendige Erbe von Bernhard Huber. Lediglich die Wildenstein-Jahrgänge 2005–2007 sind etwas schwächer, zeigen jedoch andererseits, wie Huber versuchte, seine Ideen und Konzepte weiterzuentwickeln. Belohnt wurden diese Wagnisse ab 2008 mit Weinen auf einem sehr hohen Komplexitätsniveau, die noch lange reifen können. Die Jahrgänge 2004, 2008, 2010 und 2012 präsentierten sich in der Probe besonders stark.   

Ausblick: Wie geht es weiter mit Huber?

Die Geschichte von Bernhard Huber ist oft erzählt worden, die seiner Weine lässt sich immer wieder neu erzählen. Er hinterlässt eine riesige Lücke im eigenen Familienbetrieb, die in Zukunft von seiner Frau Bärbel, Sohn Julian, Tochter Alina und ihrem Mann geschlossen werden soll. Julian Huber hat bereits erste Weine in Eigenregie vinifiziert und erste Evidenzen lassen vermuten, dass er auf einem guten Weg ist, nicht nur im Schatten seines Vaters zu bleiben. Der Weinwisser wünscht der gesamten Familie viel Fingerspitzengefühl, um die grossartige Huber-Tradition lebendig zu halten.

Beitrag: Thorsten Kogge, Foto: Maximilian Philipps

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